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Stefan Lüddemann
2007
Harry Kramer gehört zweifellos zu den wichtigen deutschen Künstlern.
Leider ist das auf Grund seines heterogenen Werkes, das sich aus vielen Puzzles zusammen setzt,
und der langen Pause im eigenhändigen künstlerischen Schaffen, bedingt durch die Zeit als Professor in Kassel, nicht so wirklich im
Bewusst sein der Öffentlichkeit. Nahe zu alle bisher erschienenen Bücher über ihn und sein Werk sind im Wesentlichen von ihm
selbst beeinfl usst und mit gestaltet worden. Für die kunsthistorische
Rezeption war es, 10 Jahre nach seinem Tod – am 20. Februar 1997 ist er in Kassel gestorben – dringend an der Zeit, einmal von
außen auf sein Werk zu schauen. Dr. Stefan Lüddemann, Kunsthistoriker,
Feuilleton-Redakteur der Neuen Osnabrücker Zeitung und Autor des Kunstmagazins ART, hat sich in einem fundierten Text mit
Werk und Leben Harry Kramers auseinander gesetzt, der in diesem Buch zusammen mit rund 50 Abbildungen einen guten Einblick in
die künstlerische Position dieses Ausnahme künstlers bietet.
Geboren 1925 in Lingen an der Ems, machte Harry Kramer eine
Friseur lehre, wurde mit 17 Soldat, überlebte den Krieg unversehrt,
wurde Tänzer und Schauspieler, entwickelte das Mechanische
Theater, mit dem er 1955 in der Galerie Springer, Berlin, in der Kunstszene
reussierte und beim Puppentheaterfestival in Braunschweig
die Puppenspielerszene aufmischte. Er drehte avantgardistische
Filme mit seinem Freund und Schwager Wolfgang Ramsbott und
entwickelt die Automobilen Drahtskulpturen, mit denen er 1964 zur
3. Documenta eingeladen wurde und internationalen Erfolg auch im
Kunstmarkt hatte. Ab 1970 wirkte er an der Kunstakademie Gesamthochschule
Kassel als Professor für Bildhauerei und wirbelt dort den
letzten Staub des Akademismus aus den Räumen. 1990/91 organisierte
der Kunstverein Lingen eine umfangreiche Retrospektiv zum
65. Geburtstag. Am 22. April 1992 verabschiedete Kramer sich nach
22 Jahren von den Studenten der Hochschule mit einer begeistert
aufgenommenen und als DVD erhaltenen Abschiedsvorlesung.
Sein Vermächtnis ist die Stiftung Nekropole, der Künstlerfriedhof im
Habichtswald in Kassel, der er alle eigenen Werke vermacht hat, die
noch in seinem Besitz waren. Diesen Nachlass pflegt, betreut und
zeigt der Kunstverein Lingen in der Lingener Kunsthalle. Die meisten
der hier abgebildeten Werke sind dort in wechselnden Zusammenstellungen
über die Jahre verteilt zu sehen.